Chancengleichheit in der Informationsgesellschaft war ein Projekt der Stiftung Digitale Chancen in 2007.
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2007 - Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle - Chancengleichheit in der Informationsgesellschaft

Schlusskonferenz: Rede Parl. Staatssekretärin Wöhrl
Eine Veranstaltungsreihe der  Stiftung Digitale Chancen

Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Dagmar G. Wöhrl anlässlich der Konferenz zur Chancengleichheit in der Informationsgesellschaft 2007 veranstaltet von der Stiftung Digitale Chancen am 17. September 2007 im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Berlin

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Professor Kubicek, sehr geehrte Frau Croll, meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie sehr herzlich hier im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin! Und in der gebotenen Bescheidenheit füge ich hinzu: Die Stiftung Digitale Chancen hätte sich keinen besseren Ort für ihre Konferenz zur Chancengleichheit in der Informationsgesellschaft 2007 aussuchen können. Damit meine ich nicht nur die Räumlichkeiten. Ich denke dabei auch an die enge Verbundenheit zwischen Ministerium und der Stiftung, wenn es um das gemeinsame Ziel der Digitalen Integration geht.

Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dagmer G. Wöhrl

Meine Damen und Herren,
es passiert leider viel zu selten, dass eine gute Nachricht aus Deutschland gleich in mehr als 1000 Pressemeldungen verbreitet wird. Im Juni dieses Jahres ist dies jedoch geschehen. Die größte Studie über die Internetnutzung der Deutschen, der (N)ONLINER Atlas 2007, war erschienen, und das zentrale Ergebnis der Studie lautete: Der Anteil der so genannten Onliner an der deutschen Bevölkerung (ab 14 Jahre) ist in diesem Jahr auf gut 60 % gestiegen, von ca. 58 % im Vorjahr. Dieses Ergebnis wurde u. a. in 14 Agentur- und 1080 Printmeldungen verkündet. Wir konnten außerdem im neuen (N)ONLINER Atlas nachlesen, dass inzwischen knapp 60% der Onliner mit Breitband surfen - 12 Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Jahr! Dies sind zweifellos erfreuliche Entwicklungen!

Auf der anderen Seite erfahren wir im neuen (N)ONLINER Atlas aber auch, dass rund jeder Dritte nach wie vor nicht die Absicht hat, in nächster Zeit das Internet zu nutzen. Der kompetente Umgang mit dem Internet ist heute aber eine Schlüsselqualifikation, die schon bald so wichtig sein wird wie die Fähigkeit zu lesen. In immer mehr Arbeitsbereichen werden bei der Besetzung von Stellen PC- und Internetkenntnisse vorausgesetzt. Aber nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch das alltägliche Leben wird zunehmend vom Internet durchdrungen. Die Digitale Integration bedeutet für die Menschen in der Regel eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität. Als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium muss ich hinzufügen: Nicht zuletzt geht es dabei auch um den Standort Deutschland und um die Sicherung unseres Wohlstandes: Eine wissensbasierte Volkswirtschaft wie die deutsche benötigt Internetkundige Arbeitnehmer und Verbraucher, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Bundesregierung hat somit eine ganze Reihe von guten Gründen, die Digitale Integration weiterhin als wichtige Aufgabe zu betrachten. Es gilt, die Integration von Bürgerinnen, Bürgern und Staat in die Informationsgesellschaft zu beschleunigen. So steht es wörtlich im Aktionsprogramm der Bundesregierung iD2010 - Informationsgesellschaft Deutschland 2010, das wir Ende des vergangenen Jahres verabschiedet haben.

Das Bundeswirtschaftsministerium unternimmt einiges, um die Nutzung des Internets weiter voran zubringen: So fährt ein Media-Bus, eine Art mobiles Internet-Café, im Auftrag des Ministeriums durchs Land. Mein Haus beteiligt sich - auch mit finanziellen Mitteln - am schon erwähnten (N)ONLINER Atlas, den TNS Infratest zusammen mit der Initiative D 21 herausgibt. Bereits zum vierten Mal hat das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Jahr den Wettbewerb Wege ins Netz veranstaltet. Mit dem Wettbewerb wollen wir vorbildliche Initiativen und Aktionen ermitteln, die die Internetnutzung fördern - und zwar insbesondere in solchen gesellschaftlichen Gruppen, die bisher im Netz noch unterrepräsentiert sind. Die prämierten Projekte sollen eine Signalwirkung für die Öffentlichkeit haben und andere Akteure zur Nachahmung anregen. Zusammen mit verschiedenen Partnern hat auch die Stiftung Digitale Chancen den Wettbewerb unterstützt. Frau Croll hat in der Jury mitgearbeitet. Vor genau 2 Wochen (3.9.) hat mein Staatsekretärs-Kollege Peter Hintze auf der IFA die 3 Hauptpreise und den "Sonderpreis Migration" verliehen. Wir haben eine Broschüre herausgegeben, in der die prämierten Projekte sowie - unter der Rubrik Lobende Erwähnungen - 20 weitere Projekte vorgestellt werden. Ich wünsche mir, dass wir mit der Broschüre möglichst viele Menschen dazu anstiften können, ähnliche Projekte zu starten. Aus diesem Grund werbe ich hier für diese Publikation aus meinem Hause. Nehmen sie die Broschüre mit und geben Sie sie auch an andere engagierte Menschen weiter!

Meine Damen und Herren,
im Mittelpunkt der heutigen Konferenz stehen die Ergebnisse von 5 Workshops, die die Stiftung Digitale Chancen in den vergangenen Monaten veranstaltet hat. Ich habe es eben schon erwähnt: Von der Bevölkerung (ab 14 Jahre) in Deutschland nutzt ein Drittel das Internet nicht - und, schlimmer noch, plant dies auch nicht für die nächste Zeit. Für dieses Drittel kann von Chancengleichheit in unserer Informations- und Wissensgesellschaft keine Rede sein. Das muss man so deutlich sagen.

Mit den Workshops hat die Stiftung insbesondere Jugendliche, Frauen, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen sowie Migrantinnen und Migranten angesprochen. Von den Jugendlichen einmal abgesehen, haben diese Zielgruppen einen überproportional großen Anteil an den Nichtnutzern des Internets. Um diese schließlich doch noch für das Internet zu interessieren, sind Maßnahmen erforderlich, die deren jeweiliger Lebenssituation und Bedürfnislage angepasst sind. Für die Gestaltung entsprechender Maßnahmen ist deshalb zunächst Ursachenforschung nötig:

Warum wird das Internet nicht genutzt?

Welche Hindernisse stehen der Nutzung entgegen?

Wie können die Hindernisse beseitigt werden?

Die Workshops haben mehr Klarheit über die Gründe der Nichtnutzung, aber auch über die Motivation zur Nutzung erbracht. Darüber wurde heute morgen bereits im Einzelnen berichtet, als ich noch auf dem Weg hierher war. Ich möchte daher lediglich auf einige Ergebnisse eingehen, die mir besonders bemerkenswert erscheinen. Dass Jugendliche die zahlenmäßig größte Gruppe unter den Internetnutzern stellen und häufig und lange im Internet surfen, ist bekannt. Nun hat sich aber gezeigt, dass gerade für Jugendliche mit niedrigem Bildungsniveau das Internet in erster Linie ein Unterhaltungsmedium darstellt. Von den Möglichkeiten des Internets bei Stellenbewerbungen und im Berufsleben haben sie dagegen kaum eine Vorstellung. Das Beispiel macht deutlich: Digitale Integration kann nur der erste Schritt sein. Im nächsten Schritt muss es darum gehen, die Digitale Kompetenz der Menschen zu fördern und sie im Umgang mit den Neuen Medien weiterzuqualifizieren. Es kommt eben darauf an, das Internet nicht nur zu nutzen, sondern es gut zu nutzen - zur eigenen persönlichen Entwicklung, vielleicht sogar zur Unterstützung anderer Menschen, zumindest aber zur Erleichterung des eigenen Alltags.

Bei den Frauen, die das Internet nutzen, hat sich herausgestellt, dass eine konsequente Abwägung von Aufwand und Nutzen der Entscheidung für das Internet vorausgegangen ist. Für diejenigen aber, die bislang noch nicht im Internet sind, hat sich gezeigt, dass sie nur eine sehr vage Vorstellung von den Möglichkeiten und Vorteilen des Netzes haben. Da stellt sich natürlich die Frage: Liegt es am Desinteresse dieser Frauen? Oder gibt es im Umfeld dieser Frauen keine Anreize, online zu gehen - und niemanden, der willens und in der Läge wäre, sie von den Vorzügen des Internets zu überzeugen? Ich vermute, in den allermeisten Fällen trifft Letzteres zu. Hier wird beispielhaft deutlich, wie wichtig das Engagement der verschiedenen Projekte und Initiativen und insbesondere professionell arbeitender Einrichtungen wie der Stiftung Digitale Chancen ist!

Eigentlich besteht ja hierzulande kein Mangel an Profis, die den Menschen auf ihrem Weg ins Internet behilflich sein könnten. Jedenfalls ist das mein Eindruck angesichts der täglichen Flut an Werbung für DSL-Anschlüsse. Leider aber machen sich die Profis häufig rar, wenn man ihre Hilfe braucht. Vor drei Wochen (26.8.) erschien in der Welt am Sonntag ein Artikel mit der Überschrift Gespräche mit tauben Automaten. Der Artikel berichtet von Menschen - auch solchen mit technischer Vorbildung - die kläglich an der Installation eines DSL-Anschlusses scheitern. Und wenn diese Leute dann Hilfe über die so genannten Hotlines suchen, werden sie wieder enttäuscht. Nur noch in den seltensten Fällen werden sie dort mit einem lebenden Wesen verbunden, dem sie ihr Problem schildern könnten. Stattdessen schicken Sprachautomaten sie in Warteschleifen. Am Ende landen sie häufig in Sackgassen. Ich befürchte, der Bericht in der "Welt am Sonntag" übertreibt nicht. Die meisten von uns kennen solche Geschichten oder haben sie selbst erlebt. Solche Erfahrungen sind nicht gerade eine Motivation für Nichtnutzer, sich über einen Internet- bzw. DSL-Anschluss Gedanken zu machen. "Plug and play", das so funktioniert, wie in der Werbung angepriesen, schnell und leicht erreichbare Experten, die bei Problemen rasch weiterhelfen, generell mehr Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit - das bringt uns bei der Digitalen Integration weiter. Hier die Anstrengungen weiter zu erhöhen, das ist mein Appell an die Hersteller und Vertreiber digitaler Medien. Manches große Unternehmen kann sich da ein Beispiel an der Stiftung Digitale Chancen nehmen. Könnten nicht auch die Verkäufer von Computern oder von DSL-Anschlüssen Workshops für ihre privaten Kunden anbieten - Teilnahme kostenlos bzw. mit dem Kaufpreis schon abgegolten? Vielleicht gibt es hier und da ja bereits solche Angebote. In den Werbeprospekten habe ich davon allerdings noch nichts gelesen.

Meine Damen und Herren,
der Stiftung Digitale Chancen möchte ich meinen Dank und meine Anerkennung für ihre engagierte Arbeit und besonders die Workshop-Reihe aussprechen. In meinen Dank beziehe ich die lokalen Partner, die an der Durchführung der Workshops beteiligt waren, ausdrücklich mit ein. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ist Schirmherr der Stiftung Digitale Chancen und hat sich auch mit finanziellen Mitteln an der Workshop-Reihe beteiligt. Diese Ausgabe gehört sicherlich zu den besten Investments meines Hauses. Mit der Veranstaltungsreihe Chancengleichheit in der Informationsgesellschaft feiert die Stiftung Digitale Chancen ihr 5-jähriges Bestehen. Dazu gratuliere ich sehr herzlich!

Meine Damen und Herren,
viele von Ihnen engagieren sich in Projekten und Initiativen, die Menschen den Weg ins Internet erleichtern. Ich hoffe, dass Sie als Verantwortliche und Mitarbeiter dieser Projekte heute möglichst viele Anregungen erhalten, um künftig noch effizienter und erfolgreicher arbeiten zu können. Das erhoffe ich mir auch für mein Haus. Gute Ideen, wie wir die Digitale Integration weiter voran bringen können, sind immer willkommen! Und sollte tatsächlich heute jemand hier im Saal sein, der von den Vorzügen der Internetnutzung noch nicht überzeugt ist, dann wird er hoffentlich im Laufe dieses Tages mehr Klarsicht und alsbald auch einen eigenen Internetanschluss bekommen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.